|
|
|
Dagmar Nick
Tinnitus
Irrtum, zu glauben,
es wäre genug mit dem Gezappel
der Beine, der eisenspitzenbewehrten
Sperre vor dem Auftritt der Nacht, die
den Schlaf im Schleppnetz wie Lösch-
schaum herbeiziehen möchte;
es wäre genug mit den Steigerungen
weiter und höher und schneller im Takt
der Unendlichkeit; es gäbe nun
keinen mehr, der dich das Fürchten
noch lehren könnte: Er steht dir zur Seite,
er überwältigt dich auf Befehl einer Macht,
die du nicht orten kannst, er klemmt
sich in deinen Gehörgang, ein Metronom,
das deinen Herzschlag verspottet.
Es gibt kein Entkommen.
Finde dich ab.
Fazit
So tot, wie du scheinst,
bist du das Einzige,
was noch lebt in mir;
öffne das Schloß, deine,
unsre Verriegelung,
blättre mich auf: zwischen
allen Seiten, von Komma
zu Komma, bist du zu finden,
mein Lebensgeschenk.
Wie sollte ich dich nicht lieben,
so tot, wie du bist.
Inhaltsverzeichnis ►
|
|
|
Dagmar Nick, geboren 1926 in Breslau, veröffentlicht seit 1945 vor allem Gedichte, ab den 50er Jahren auch Hörspiele und Erzählungen. Lebt in München. Zu den Auszeichnungen, die sie erhielt, gehören der Eichendorff-Preis, der Tukan-Preis und der Andreas-Gryphius-Preis. 2000 erschien der Gedichtband Wegmarken (Rimbaud) sowie 2007 Rhodos, erinnert (Rimbaud).
|
|
|