POET NR. 04 INHALT COVER ORDERN ET CETERA

poet nr. 4 | literaturmagazin   poet 4

poet nr. 4
Das Magazin des Poetenladens
Andreas Heidtmann (Hg.)
poetenladen, Leipzig Frühjahr 2008
176 Seiten, 8,80 Euro
Klappenbroschur, fadengeheftet
ISBN 978-3-940691-00-2

Titel portofrei online bestellen   ►

 
Zwei sehr verschiedene Autoren stehen am Anfang des Lyrik- und Prosateils. Der Gedichtteil wird vom US-amerikanischen Lyriker David Lerner eröffnet: Bis zu seinem Tod 1997 gehörte er den so genannten San Francisco Babarians an – einer Gruppe von Lyrikern und Spoken-Word-Dichtern. Ron Winkler hat ihn übersetzt. Lerner begeisterte so sehr, dass der poeten­laden eine Auswahl der Gedichte als Buch herausbrachte.

Am Anfang des Prosateils steht Kurt Drawert. Der poet bringt einen Ausschnitt seines hochgelobten Romans: Ich hielt meinen Schatten für einen andern und grüßte. Im Gespräch bekennt Drawert: »Ich schreibe eigentlich immer als Lyriker.«

Editorial  |  poet nr. 4

Vor zweieinhalb Jahrhunderten erklärte Friedrich Gottlieb Klopstock, der Poet heiße seit längerem schon Dichter, und grenzte sich damit vom lateinischen poeta ab. Er war noch keinem der Surf- und Beatpoeten begegnet und hatte nichts von Internetseiten wie poets.org oder poetenladen.de gehört. Nicht zuletzt das Netz und die Allgegenwart des Englischen haben dem Wort zu einer Renaissance verholfen. Und warum nicht: Es ist schön, einfach und überall verständlich. Wer will, darf dahinter auch die Freude vermuten, sprachlich durch Jahrtausende zu surfen, um in der Gegenwart anzukommen.

Der poet nr. 4 bietet in schon bewährter Weise Texte junger Autoren und etablierter Literaten, diesmal in einem weit gespannten Bogen von den USA über Schottland bis zu den jungen Dichtern in Berlin, München, Wien und der Schweiz. Leipzig ist insofern vertreten als das Deutsche Literaturinstitut neben vergleichbaren Einrichtungen in anderen Städten einen Brennpunkt junger Literatur bildet. Gerade erst gingen zwei DLL-Autorinnen mit Preisen aus dem Open-Mike-Wettbewerb in Berlin hervor und lassen keinen Zweifel an der wachsenden Rolle der Literaturschulen.

Eva Demski kritisiert im Gesprächsteil dieses Heftes die so genannte Wettbewerbsprosa, die nicht sehr wagemutig sei, sondern ein Genre mit Autoren ohne eigene Biografie. An Kafka und Benn erinnernd, sieht sie Schriftsteller mit Brotberuf im Vorteil, da sie sich größere Unabhängigkeit bewahren können. Für Kurt Drawert besteht trotz aller Skepsis gegenüber dem flüchtigen Medium Internet die Chance, dass gute Literaturseiten zum Blick in die Originale verführen. Dem Lyriker Ron Winkler dient das Netz als „Boulevard und Unterhaltungsdusche, Anzapfraum und Elektroenzephalograph. Es ist immer da.“ Es sei denn, man drückt den Knopf, um ein Buch in die Hand zu nehmen und zu lesen.




 

 
Kurt Drawert: Ich kenne, offen gesagt, keinen Autor von Belang, der ungebildet ist und nicht irgendwie Bescheid weiß, wer wann was und wie erfolgreich schon einmal zu Papier gebracht hat. Ohne einen möglichst profunden Lese­hinter­grund kann man nicht schreiben, jedenfalls nicht so, dass etwas Neues entsteht. Vielleicht gibt es ein paar naive Gedichte irgendwo hinter den Mauern einer Nerven­heil­anstalt, die plötzlich berühmt geworden sind wie etwa die des Schizophrenen Ernst Herbeck.
Ron Winkler: Ironie ist ein grandioses Instrument poetischer Fein­mechanik. Es erlaubt ver­schiedenste Kali­brierungen des eigenen Blicks. Von den Warmtönen des Ausdrucks­spektrums über vermessene Invektiven bis hin zu einer so intensiven Ironie, dass sie schon wieder ihr vermeintliches Gegenteil ist – hoher Pathos. In der Regel vermag es der ironische Gestus, die Orna­mentierung zu erden, der das Gedicht wegen seiner Sonder­sprach­lichkeit ausgesetzt ist.
 

 

●   poetenladen
●   der verlag