POET NR. 02 INHALT COVER ORDERN ET CETERA

  Jean Krier

Une incroyable façon de nous faire mourir
Michel Déguy: Fragment du Cadastre

Ich lebe doch – sonst wäre nicht Welt, u muss
noch hinaus zu den Toten, sie zu wecken u wenden,
die im Viehwaggon da, dass sie mal andersrum
u ab in die Fabrik oder gleich in den Ofen u
leichtbeschwingt durch den Schornstein, sonst wär
die andere Welt. Wie die Strandräuber, warm
im Gedärm, von Dankbarkeit so erfüllt. Une incroyable
façon de mourir. Und Welt nicht anders, nichts anders
als im Sessel u zum Fenster u die blütenlose jetzt Zeit.
Schon diese Art zu fragen – man kann’s nicht mehr
hören. Tanz der Staubpartikel im Licht. Gib dir doch
Mühe, Mensch, mit den Bässen, beachte die Linie
u wie die Luft tönt hell über dem Wasser. Denn
sie ist Filiale u ich bin die Wunde, in die der Finger.
Wie gut u leicht haben ohne Welt die Toten doch reden.



Zur Hölle mit der Freiheit

schreien sie, sobald in der Sprache kocht das Meer
u müdes Abwinken, die Träume suchen das Weite,
wo Dunkles aufgehoben gut u Ausscheidungen nicht
der frühen Jahre überzeugen, obwohl auf der Straße
Boris hüpft u singt u klacken die Absätze der Frauen.
Du spürst, wie der alte Stein an der Schläfe pulst.
Das ist die winzige Narbe, sichtbar nur, wenn drauf
Schein u Schaum vom Meer. An den Sturz erinnerst
du dich wohl u noch jedes Wort. Buchstabengenau,
all die wunderbar undeutlichen Gefühle dieser Zeit.
Lange Pfade im Wald u über die Tasten klacken
die Absätze, die suchen in Träumen das Weite. Aber
Land nirgends in Sicht. Mit diesem Konzept im Kopf
kommst du nicht weiter, obschon du doch frei bist,
neue Konstellationen zu schaffen u hinter jeder Tür
unter Anrufung des HErrn dein Süppchen zu kochen.
Mit Stein u Wort pochen so. So sollte dies, ganz
auf die sanfte, ein Gedicht werden, von schwarzen
Flügeln immer wieder geschlagen, wie das eben bei
Strandspaziergängen der Fall ist, die auch mal über
die Grenze führen können nach Haus. Wie kannst du
erwarten, einer sei da, nur für dich, während Schritte
in diesen weiten Räumen wie Stille hallen? Zur Hölle
mit dieser Freiheit. Ach, dass wir alle leben u daran
kleben u furchtbar sind. Die Wunden sind leicht
zu finden, du bietest dein Fleisch u Blut – was hasst du
mehr. Drum schäme ich mich des Daseins überhaupt.
In dieser Sprache kannst weder in deiner Hütte sprechen.

Inhaltsverzeichnis   ►

 

 
Jean Krier, 1949 geboren in Luxemburg. Studium der Germanistik und Anglistik. Lebt und arbeitet in Luxemburg. Veröffentlichungen in vielen Literaturzeitschriften, wie ndl, manuskripte, Akzente etc. Mehrere Gedichtbände. 2010 erschien im poetenladen sein Gedichtband Herzens Lust Spiele .
 
●   poetenladen
●   der verlag