POET NR. 11 INHALT COVER ORDERN ET CETERA

  Uwe Kolbe

Kein Haus

Wenn aber kein Haus mein eigen,
ich zu den Verzerrten gehöre,

denen nicht Not, aber ungerecht
Zorn galt, der älter war, zu alt,

dass, die ihn ausschrien gegen sie,
auch gegen sich schrien, sich selbst

nicht hörten, ach die – Eltern?

Aber kein Haus, denn es fügte sich
nicht, als ich aufbrach, mein Schweigen

trieb immer, jagte, siegte, und keine,
auch du nicht, fein Tändlerin, du nicht,

Sonnenuntergängerin, aber keine,
die Kraftvollen ließen mich ziehen,

den, der nicht bauen konnte, blind
seine Hände, sieh wie sie baumeln.

Wir, die wir bleiben, kennen uns gut,
tanzen vereinzelt den Reigen zu Ende,

wohl wissend, uns zieht die kältere See.

Dort werden wir Ausschau halten,
bis uns das Blau in den Adern gefriert.


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Uwe Kolbe, geboren 1957 in Berlin (Ost), lebt in Berlin. 1976 wurden auf Vermittlung von Franz Fühmann erste Texte von Uwe Kolbe in der Literaturzeitschrift Sinn und Form veröffentlicht. 1987 siedelte er in die Bundesrepublik über. Ausgezeichnet wurde er unter anderem mit dem Friedrich-Hölderlin-Preis und dem Preis der Literaturhäuser. Zahlreiche Gedichtbände, so zuletzt Heimliche Feste (Suhrkamp 2008).
 
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